Eine Fertigbecken-Ausstellung ist ja echt interessant. Bei uns stehen etwa 25 Becken verschiedener Hersteller herum und wollen den Besucher durch ihre Größe und Vielfalt, ihre Verarbeitung und glitzernden 3-D-Oberflächen beeindrucken. Meist staunen die Besucher, wie groß sich doch schon ein 6 m Becken anfühlt. Wir bewegen uns ja täglich zwischen den Becken, deshalb haben wir uns an die Größen gewöhnt und müssen immer noch schmunzeln, wenn der Besucher ein 10 m Becken anpeilt und dann bei 6 oder 7 m Pools die Luft anhält.
Eigentlich dachte ich, es wären zur Beckengröße schon alle Fragen gestellt, doch neulich hat mich ein Besucher kalt erwischt. Nach seinem Empfinden war der UNIQUE 6 von Mon de Pra riesig; ob denn das Größenempfinden genauso wäre, wenn das Becken eingebaut ist? Was weiß ich? 6 m sind 6 m, ob hochkant oder liegend. Nee, das wollte er ganz genau wissen. Ja, ääähm, also … hör doch auf … ich habe keine Ahnung, wie andere Menschen eine Beckengröße empfinden, da ich doch eher praktisch veranlagt bin. Ein Pool soll zum Garten passen. Wenn mit Gewalt ein 8 m Becken in eine Fäche von 50 qm eingebaut werden soll, sieht das bestimmt nicht harmonisch aus. Gnä Frau, nehmen Sie doch lieber den MAXI, 6,5 x 3 m, das sieht bestimmt eleganter aus.
Schon die Ankunft der besagten Kunden war für unser ganzes Team etwas wunderlich. Aus dem Auto wurden erstmal Körbe, Kinderroller, Tüten herausgeschafft; man steuerte sogleich zielgerichtet auf die Sitzgruppe im Pavillon zu und dort wurde ein größeres Picknick aufgetischt. Kaffee, Croissants, Brezeln und was weiß ich kam aus den Tüten zum Vorschein; der Tisch war reichlich gedeckt. Vorsichtig nähert sich die Chefin dem Grüppchen zur Begrüßung. Statt der Hand zum Gruß kommt mir eine Windel entgegen; wo man diese denn entsorgen könnte? Und nein, man möchte noch nicht mit dem Beratungstermin beginnen, man möchte erst in Ruhe frühstücken. Hände tief im Hosenseckel vergraben zieht sich Chefin schmollend zurück.
Die Prinzessin brummte bald schon mit dem Roller zwischen den Becken umher und warf abwechselnd Schottersteine, weil das in den Becken so ein schönes PLOPP macht. Chefin im Ansturm.
Man war anscheinend nun frisch gestärkt und bereit, sich diesen aufdringlichen Poolverkäufern zu stellen; doch vorher geht die ganze Family noch aufs Klo. Das Gespräch beginnt dann gleich mit vielen Fachfragen über die Unterschiede der verschiedenen Becken, woraus genau denn Orthophthalharze bestehen und wie schreibt man den Hersteller? Chefin versucht alle Fragen zu beantworten, kommt aber nicht so richtig zu Wort, da entweder die Prinzessin gerade mit dem Roller Richtung Straße saust und Papa hinterher rennt oder erneut durch die Frage nach der Schreibweise des anderen Herstellers unterbrochen wird.
Ja nein, selbst einbauen wollte man den Pool auf keinen Fall und man möchte unbedingt eine bestimmte Farbe; wieso gibt es dieses Becken aber nicht in jener Farbe … darum. Bekannte haben ein schwarzes Becken, ob es das auch gäbe; aber man habe gehört, das sei so gefährlich. Warum gefährlich? Weil man nicht sehe, ob darin jemand schwimmt, weil es ja sackdunkel im Pool ist und dann könnte man auf ihn springen. Pffff … Fragen über Fragen … Kind muss zwischenzeitlich mehrfach eingefangen werden, das Gespräch stockt.
Da man sich weder für eine Poolgröße entscheiden möchte, noch auf ein bestimmtes Modell festlegen wolle, bei der Poolfarbe auch nicht weiterkommt, kann man ja derweil über die Pooldesinfektion diskutieren. Nein, Salz auf keinen Fall; Chlor schon überhaupt nicht, höchstens UV oder was mit Sauerstoff. Und eine Abdeckung, welche wir empfehlen würden, wie schreibt man den Hersteller und warum. Ach ja, kann man den Pool mit der Hausheizung kombinieren?
Nach etwa einer zähen Stunde kommt plötzlich Bewegung ins Gespräch; man wolle jetzt doch mal ein Angebot. Worüber? Ach, egal, bieten Sie einfach mal drei, vier verschiedene Becken mit unterschiedlichen Ausstattungsvarianten an. Vielleicht auch mal ein Überlaufbecken, die sind ja auch nett. Nein, nope, no. Für ein Angebot nehmen wir uns viel Zeit, versuchen alle Komponenten zu berücksichtigen; Filter steht höher als der Wasserspiegel – Rückschlagventil nicht vergessen. Aber so als Ideenpool erstellen wir sicher keine drei, vier Angebote.
Ach ja, eine letzte Frage: Was ist eigentlich Ihre Aufgabe?
Wie jetzt, meine persönlich? Ich bin Geschäftsführer, Ihr Poolberater, Einbauhelfer, Ideengeber, Planer …
Nein nein, also die ganze Firma, welche Aufgabe hat sie?
Wir sind Fachhändler für Swimmingpools, spezialisiert auf Fertigbecken, beraten, unterstützen, planen.
Aber Sie produzieren ja nichts, auch bauen Sie die Becken nicht ein, eigentlich tun Sie ja nichts, oder?
Ja genau, das mache ich jetzt auch, nämlich nichts. Ich gehe heim, schaukeln oder schwimmen und tu nichts; nichtmal die Adresse notiere ich mir.
Es gibt sie wirklich, die Kunden aus der Hölle. Ich habe nicht daran geglaubt. Doch das war er.
Als Poolhändler lernen wir viele Menschen kennen; während der Poolbauphase wird die Beziehung auch mal richtig eng, weil wir (fast – nachts nicht) immer und wirklich sehr gerne für unsere Kunden da sind. An einen Herrn erinnere ich mich besonders gerne; da war sie auch sofort, die gleiche Wellenlänge. Wir waren in der Impffrage der gleichen Meinung, haben über hunderte Kilometer entfernt sogar unsere Kartoffeln zusammen gepflanzt und später geerntet – so ein Poolprojekt dauert halt seine Zeit, ein bisschen wie das Säen und Ernten. Neulich rief bei uns die Gattin an, hatte eine kleine Frage, sie wurde aber schnell fast panisch; ich versuchte, sie zu beruhigen: Ommmmm, das kriegen wir hin; wir lassen Euch doch nicht alleine. Ihr Mann war gestorben, schon im Januar. Zusammen haben wir erstmal ein wenig geweint, ein Gänsehautmoment. Ich war unendlich traurig, so nette Leute und so großes Leid. Man kann nichts tun, hat als Verbindung nur den Telefonhörer, gerne hätte ich sie jetzt in den Arm genommen.
Nun steht sie da mit einem halbfertig eingebauten Pool und eigentlich ganz anderen Sorgen. Ich habe ihr unsere volle Unterstützung versprochen, wir helfen ihr, das Projekt fertigzustellen. Das war doch der Wunsch ihres Mannes, für die Familie diesen wunderbaren Pool einzubauen. Und wenn wir nur diese eine, so winzig kleine Sorge nehmen können, dann wird der Sorgenberg ein winziges bisschen kleiner. Wir hoffen so sehr, dass sich die kleine Familie eines Tages über Papas letztes Projekt freuen kann und wieder die Sonnenseite des Lebens sieht.
Auch darin sehen wir unsere Aufgabe – einfach nur da zu sein, auch wenn’s um mehr als den Pool geht.
Bleiben sie uns gewogen.
Herzlichst
Gabi Zingg