Wasserchemie für Fortgeschrittene

Wir sprechen über die Chemie des Poolwassers

Nur soviel vorweg: Ich bin kein Chemiker. Deshalb versuche ich hier, die Zusammenhänge der Wasserbehandlung im Pool so einfach und so richtig wie möglich darzustellen. Ein bisschen mehr Hintergrundwissen ist manchmal schon nötig, um die komplexen Zusammenhänge im Poolwasser besser zu verstehen und vor allem, um die richtigen Schritte einzuleiten.

Das Poolwasser soll einerseits hygienisch einwandfrei sein, andererseits aber nicht aggressiv zu Haut und Augen und auch bei einem kräftigen Schluck gesundheitlich nicht bedenklich sein.

Wenn Ihr Pool neu ist, Ihnen die erste Poolsaison bevorsteht, dann überspringen Sie bitte diesen Artikel, sonst kommen Sie noch zu dem Schluss, dass Wasserpflege kompliziert ist. Ist sie nicht, definitiv. Aber es gibt Momente im Leben eines Poolbesitzers, in denen er schier am Wasser verzweifelt. Dafür ist der Artikel gedacht. Oder Sie sind halt ein Streber 😉

Das Chlor

Wir sprechen bei der Wasserpflege hauptsächlich über Chlor. Doch was ist dieses Chlor eigentlich? Zunächst mal ein chemisches Element, doch kommt es in der Natur nicht elementar vor. Hier wird der Chemiker schon Einspruch erheben: Ja, es kommt in winzigen Mengen elementar vor, aber nur in den Gaswolken von Vulkanen oder in der Ozonschicht. Eigentlich ist Chlor gasförmig und hellgrün, aber meist ist dieses Element eben an irgendwelche andere Elemente gebunden. Diese Verbindungen nennt man Chloride.

Das bekannteste Chlorid ist das Natriumchlorid – also Salz. Gewonnen wird Chlor z. B. durch Elektrolyse – gell, jetzt kommen wir der Sache schon näher. Im Wasser wird Chlor – unter bestimmten Voraussetzungen – zu einer hypochlorigen Säure (HOCl), die stark desinfizierend wirkt. (vereinfacht gesagt. Die Sache mit der Disproportnionierung sollen sich Chemiker gegenseitig erklären).

Nun kommt Chlor in zwei Arten daher:
Als stabilisiertes Chlor und nicht stabilisiertes Chlor.
Da Chlor ja gasförmig ist, entfleucht es relativ schnell, auch im Poolwasser.

Damit das Chlor aber längere Zeit im Poolwasser verbleiben kann, setzt man ihm Cyanursäure bei – so erzielt man ein stabilisiertes Chlor, das nicht beim ersten Sonnenstahl das Weite sucht, sondern seinem Desinfektions-Job im Poolwasser länger nachgehen kann.

Das nicht stabilisierte Chlor (also ohne Cyanursäure) zerfällt durch die UV-Strahlung ganz schnell … und schwupp ist’s weg.

Außer diesen zwei Chlorarten benutzen wir im Bezug auf unser Poolwasser weitere Begriffe:
Freies Chlor, gebundenes Chlor und Gesamtchlor.

Das freie Chlor ist das Wichtige: gemeint ist damit der Anteil an hypochloriger Säure im Wasser, die sich durch die Zugabe von Chlor im Wasser bilden kann und nur dieser HOCl-Anteil kann überhaupt die Desinfektion leisten.

Das gebundene Chlor entsteht, wenn sich freies Chlor mit Bakterien oder anderen Stoffen im Wasser einlässt – das ist dann allerdings verbraucht und desinfiziert nicht mehr genügend. Dafür riecht es um so mehr und ist für rote Augen usw. verantwortlich. Diese neuen Verbindungen sind die berüchtigten Chloramine.

Um gebundenes Chlor wieder in aktives, freies Chlor zu verwandeln, gibt es eine einfache Lösung: freies Chlor zusetzen = Schockchlorung, z. B. mit CHLORYTE von BAYROL. Erhöht sich im Wasser der Anteil des freien Chlors um ca. das 10fache, werden die Molekülstrukturen der neu eingegangenen Verbindungen gelöst und somit wird das gebundene Chlor “befreit”. Damit der Schock auch so richtig wirksam wird, benutzt man ungebundenes Chlor ohne Cyanursäure und das am besten am späten Abend, weil ja sonst die UV-Strahlung das freie Chlor zu schnell zerfallen lassen würde.

Bleibt noch das Gesamtchlor – es bildt die Summe aus freiem und gebundenem Chlor.

Der pH-Wert

Vereinfacht: Der pH-Wert ist das Maß für den sauren oder basischen Charakter des Wassers.

Bei pH 7 liegt die Mitte der Balanceskala, also der neutrale Bereich. Je niedriger der pH-Wert ist, desto saurer ist das Wasser; ein hoher pH-Wert liegt im basischen Bereich. Sauer kennen wir ja, je saurer desto Säure; Basen sind alkalisch, also ätzende Laugen. Die Base ist chemisch gesehen das Gegenstück zur Säure und kann diese neutralisieren.

Ein bisschen kommt jetzt auch noch die Wassertemperatur in Spiel: Der neutrale Bereich des pH-Wertes von 7 stimmt exakt bei einer Wassertemperatur von 25 °C. Sinkt die Wassertemperatur, steigt der pH-Wert – erhöht sich die Wassertemperatur, sinkt der pH-Wert.

Im Zusammenspiel mit Chlor wird’s nun interessant:
Sie haben ja zuerst aufmerksam die Spalte über das Chlor gelesen und sich gemerkt, dass Chlor in Verbindung mit Wasser eine hypochlorige Säure bildet (HOCl = freies Chlor), die erst die Desinfektionsleistung erbringt. Wieviel HOCl aber aus dem Chlor überhaupt entstehen kann, hängt entscheidend vom pH-Wert ab.

So entstehen bei einem pH-Wert von 6,5 ca. 85 % HOCl, bei einem pH-Wert von 7,5 aber nur noch ca. 50 % HOCl. Und über 8 entsteht kaum noch HOCl. Das heißt, Sie können noch soviel Chlor ins Wasser kippen, wenn der pH-Wert zu hoch ist, gibt’s auch keine zuverlässige Desinfektion. Die gute Nachricht: Verändert man den pH-Wert, verändert sich auch der Anteil an freiem Chlor bzw. HOCl.

Die Regulierung des pH-Wertes ist relativ einfach. Mit Granulat oder Flüssigprodukt wird die entsprechende Menge einfach bei laufender Filterpumpe direkt in Wasser gegeben, am besten vor den Einlaufdüsen.
pH-Wert zu hoch – pH-Minus einsetzen
pH-Wert zu niedrig – pH-Plus einsetzen
Die Dosierung steht meistens auf der Verpackung; ein bisschen Dreisatzrechnung und schon ist man auf dem richtigen Weg. Dosieren Sie aber lieber piano, nachwürzen kann man immer, wenn die Suppe erst versalzen ist, isses doof.

Es gibt einen weiteren Parameter, der den pH-Wert beeinflusst: Die Wasserhärte.
In diesem Zusammenhang interessiert uns besonders die Carbonathärte (= Alkalinität), die von den gängigen Wassertestern ebenfalls erfasst wird. Die Carbonathärte ist ein Indikator, wie leicht oder schwer sich die Regulierung des pH-Wertes einstellen lässt.
Eine eher hohe Carbonathärte benötigt eine größere Menge an Regulierungsmittel, im Gegensatz dazu braucht es eine geringere Menge bei niedriger Carbonathärte. Daher sind auch die Dosierungsangaben nie ganz exakt; man muss sich mit seinem Wasser also etwas herantasten.

Bei regelmäßiger Verwendung von pH-Minus reduziert sich die Carbonathärte, daher sollte regelmäßig eine Nachfüllung mit Frischwasser erfolgen. Das machen Sie ja automatisch nach jedem Rückspülvorgang. Gut eignet sich auch der Alkalinitätsheber AlcaPLUS von Bayrol.

Auswirkungen des falschen pH-Wertes

Die Cyanursäure

Wir sind noch nicht fertig. Fürchten Sie sich aber nicht – die Cyanursäure ist durchaus interessant.

Im Absatz über das Chlor haben wir ja festgehalten, dass es unter UV-Einstrahlung ruck zuck zerfällt und in alle Winde verweht wird. Nun möchte man im Poolwasser ja eine stabile Versorgung mit Chlor erreichen. Da wären z. B. automatische Dosier- oder Salzelektrolyse-Anlagen von Vorteil; die sind aber in der Anschaffung erstmal recht teuer.

Einfacher und billiger sind Langzeit-Chlortabletten. Diesen Tabletten ist Cyanursäure beigemengt, um damit das Chlor im Wasser zu stabilisieren. Ein Teil des im Wasser gelösten Chlors ist aber eine Verbindung mit der Cyanursäure eingegangen und damit nicht aktiv. Nur der freie Chloranteil kann HOCl (die desinfektionsfähige hypochlorige Säure) bilden. Dass die Desinfektion mit Dauerchlor-Produkten dennoch funktioniert, liegt am Hydrolyse-Gleichgewicht: Wird freies Chlor verbraucht, löst sich gebundenes Chlor aus seiner Liaison mit der Cyanursäure. Bei der Chlormessung sagt der Gesamtchlorgehalt allerdings nicht unbedingt etwas über die Desinfektionswirkung aus, solange man den Wert für freies Chlor (DPD1) nicht exakt bestimmen kann.

Wenn Sie trotz eines eigentlich perfekten Chlorwertes dennoch Algenbildung feststellen, kann das also an einem zu hohen Gehalt an Cyanursäure im Wasser liegen. Diese Probleme treten selten in der ersten Poolsaison auf; erst wenn das Wasser älter ist und der Anteil an Cyanursäure aus den Dauerchlor-Tabletten ansteigt, kommt es zu diesem Phänomen. So kann ein Anteil von z. B. 10 mg Cyanursäure pro Liter Wasser ca. 40 % des zugegebenen Chlors an sich binden.

Ist dazu noch der pH-Wert zu hoch (Sie erinnern sich – die Desinfektionswirkung nimmt dann ab), ist ja klar, dass trotz “genügend” Chlor im Wasser keine ausreichende Desinfektionswirkung erreicht werden kann.

Die Cyanursäure wird man nicht so einfach los, Abhilfe schafft die Zugabe von frischem Wasser. Und dann sofort den pH-Wert wieder einregulieren (unser Ziel ist immer 7,2).

Gell, schon interessant.

Jetzt noch der Redox-Wert

… dann sind Sie perfekt.

In der Chemie bezeichnet man den Redox-Wert als das Verhältnis zwischen reduzierenden und oxidierenden Stoffen.

Für Nicht-Chemiker und Nicht-Mathematiker könnte man das Redox-Potential etwa so darstellen:

REDOX-POTENTIAL (ausgedrückt in mV = milliVolt) =
oxidierende Stoffe
reduzierende Stoffe

Unser oxidierender Stoff ist das Chlor, reduzierende Stoffe sind die Gesamtheit dessen, das nicht ins Wasser gehört, also somit alles, was die oxidierenden Stoffe verbraucht bzw. reduziert. Dazu gehört neben Kosmetik, Bazillen usw. auch das gebundene Chlor.

Wie es bei einer Geichung so ist, führt eine Erhöhung des oxidierenden Stoffes (also des Chloranteils) zu einem höheren Redox-Wert. Eine Erhöhung der reduzierenden Stoffe führt zu einer Abnahme des Wertes. Erhöhen sich beide Werte (also mehr Schmutz und mehr Chlor), bleibt der Wert für das Redoxpotential in etwa gleich (nur haben Sie halt mehr Schmutz und Chlor im Wasser … das will man ja auch nicht).

Zu allem Übel wird der Redoxwert (nur der Vollständigkeit halber) auch noch von der Wassertemperatur beeinflusst; da sich die Abweichungen jedoch im Bereich um 0,25 bewegen, können wir diesen Punkt getrost vernachlässigen.

Demnach ist der Redoxwert keine Chlormessung, sondern er gibt uns nur bekannt, dass der im Wasser vorhandene Schmutz ausreichend desinfiziert ist. Jetzt wird auch klar, weshalb bei Salzelektrolyse-Anlagen ab und zu doch mal der Chlorwert manuell bestimmt werden muss und die Anlage etwas Feingefühl bei der Anpassung verlangt. Und (!) weshalb der Sollwert Redox ein individuell nach dem gewünschten Chlorwert festzulegender Wert ist.

Sie haben es bis hierher geschafft – wow, dann sind Sie jetzt aber fit in der Wasserpflege. Wasser ist lebendig und wird es immer sein, deshalb gibt es auch keinen Bleib-jetzt-so-Zustand. Die Wasserqualität ist von so vielen Parametern abhängig.

Uns rufen immer wieder Kunden an, die Probleme mit dem Poolwasser haben und fragen, was sie jetzt tun sollen. Also so eine kurze Ferndiagnose mit schnellem Therapievorschlag. Ja was weiß denn ich, was da alles im Wasser ist, wie das Wetter bei Euch ist, wie liebevoll Sie Ihr Wasser pflegen oder wie lange die Filterlaufzeit ist (meine Lieblingsfrage). Ja, wir helfen gerne weiter, aber sobald wir eine Wasseranalyse vorschlagen, um uns mal einen Überblick über die tatsächliche Wasserbeschaffenheit zu machen, kneifen sie … kostet 45 Euro, man muss Wasser zu uns bringen usw. Aus Rache rufe ich manchmal einfach so bei meiner Autowerkstatt an und sage: “Du, mein Auto ist kaputt” 🙂

In diesem Sinne – sorgenfreies Baden im perfekt gepflegten Pool

und bleiben Sie uns gewogen.

2019-08-10T15:33:41+02:00

Ein Kommentar

  1. Cornelia Zenker 23. November 2020 um 16:02 Uhr

    Super erklärt. Danke

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